FÄ antwortet Bundesärztekammer: Patientenindividuelle Steigerung beibehalten

Für die GOÄ-Novellierung hat die Bundesärztekammer die Berufsverbände und Fachgesellschaften um Hilfe gebeten: Sie sollen hinsichtlich der geplanten Positivliste Erschwernisgründe auflisten, die den Ansatz eines zweifachen Steigerungssatzes rechtfertigen. Ist das überhaupt sachgemäß? Nein, schreibt die Freie Ärzteschaft (FÄ) in ihrer Stellungnahme. Lesen Sie hier die vollständige Antwort an den GOÄ-Verhandler Windhorst.


Essen, den 22.02.2016

Ihr Schreiben vom 03.02.2016
zu: „GOÄ-Novelle – Stellungnahme zu Erschwernisgründen“

Sehr geehrter Herr Dr. Windhorst,

in Ihrem vorgenannten Schreiben fordern Sie uns zur Stellungnahme zu „Erschwernisgründen“ im Sinne von „rechtfertigenden Steigerungsgründen des einfachen neuen Gebührensatzes auf den zweifachen Satz“ auf.

Eine solche Benennung von möglichen Erschwernisgründen lehnen wir aus schwerwiegenden Gründen ab:

Ein „Einfachsatz“ in einer neuen Gebührenordnung für Ärzte wird der Notwendigkeit einer differen-zierten, patientenindividuellen Abbildung von Aufwand und Schweregrad ärztlicher Tätigkeit nicht gerecht. Diese Abbildbarkeit ist aber ein unverzichtbares Merkmal der Gebührenordnung des freien Berufes Arzt. Hier droht Einheitsmedizin. Selbiges gilt für den zweifachen Satz – auch dieser erlaubt grundsätzlich keine patientenindividuelle Differenzierung und kongruente Abbildung des Behandlungsaufwands. Bereits aus diesen Gründen ist eine Angabe von Erschwernisgründen aus Sicht der Freien Ärzteschaft unsachgemäß.

Auch kann eine katalogisierende und damit abschließende Auflistung, wie Sie Ihnen vorschwebt, der Komplexität von patientenindividuellen Erschwernisgründen nicht gerecht werden. Denn die Art der Erkrankung(en), die Begleitumstände, aber auch die berechtigten Wünsche und Bedürfnisse des Patienten, denen wir Ärzte ethisch und rechtlich verpflichtet sind, sind so vielfältig, dass eine Auflis-tung von Steigerungsgründen niemals abschließend sein kann, somit unsachgemäß ist und dem Arzt im Einzelfall im Rahmen der Ausübung der ärztlichen Kunst vorbehalten bleiben muss.

Dass Sie einen derartigen Katalog in die „Verhandlungen“ mit der Gegenseite einbringen wollen, zeigt, dass die von Ärzteseite einzubringenden, aufgrund der vorgenannten Argumentation ohnehin niemals abschließenden Steigerungsgründe bereits im Vorfeld zur Disposition gestellt werden.

Wir lehnen es auch ab, dass eine Kommission, die von Vertretern der Beihilfe und der privaten Krankenversicherungen maßgeblich mit besetzt sein soll, verbindliche Entscheidungen über die Anwendung derartiger Erschwernisgründe für Steigerungen von Gebührensätzen gegenüber dem einzelnen Arzt und den Ärzten insgesamt treffen soll. Bisher blieb dies jedem einzelnen Arzt über-lassen, und dies muss auch künftig so bleiben.

Insbesondere in diesem Punkt haben wir erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, dass Ihr Konzept einer GOÄneu im Hinblick auf die freie Berufsausübung des Arztes gegen §12 des Grundgesetzes verstößt. Sofern Sie an Ihrem Konzept festhalten, werden wir diesen Aspekt weiterverfolgen.

Wir fordern Sie auf, vom Konzept einer Katalogisierung von Erschwernisgründen für Steigerungen von Gebührenordnungspositionen Abstand zu nehmen.

Wir fordern Sie auf, vom Konzept von ausschließlich Einfach- und Zweifachsätzen Abstand zu nehmen und patientenindividuelle Steigerungsfakoren beizubehalten, wie es der Ärztetag 2014 beschlossen hat.

Wir fordern Sie auf, das vorgelegte Konzept einer Kommission mit Vertretern von Beihilfe und privaten Krankenversicherungen mit den beabsichtigten Aufgaben und Befugnissen fallen zu lassen.

Einer alleinigen Modernisierung und Aktualisierung im Hinblick auf neue Leistungen sowie einer Anpassung der Höhe der Bewertungen in der bestehenden GOÄ steht die Freie Ärzteschaft aufge-schlossen gegenüber.

Mit freundlichen Grüßen

Vorstand der Freien Ärzteschaft e. V.
Wieland Dietrich, Dr. Silke Lüder, Dr. Axel Brunngraber, Dr. Christian Scholber, Dr. Heinz-Jürgen Hübner