Mangelhafte Sitzungsleitung beim außerordentlichen Ärztetag – parlamentarische Grundprinzipien eklatant verletzt

Foto: Pixelot/fotolia.com
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Die Freie Ärzteschaft kritisiert in einem Offenen Brief die undemokratische Sitzungsleitung des Präsidenten der Bundesärztekammer, Prof. Frank Ulrich Montgomery, beim Sonderärztetag zur GOÄ. Er hat eine Vielzahl von Anträgen ignoriert und hätte zudem aufgrund seines Interessenkonflikts als gleichzeitig Hauptverantwortlicher für die GOÄ-Verhandlungen die Sitzungsleitung abgeben müssen.

 

 

Sehr geehrter Herr Prof. Montgomery,
sehr geehrter Herr Präsident,

der außerordentliche Deutsche Ärztetag am 23. Januar 2016 in Berlin wurde einberufen, um sich ausführlich mit der Novellierung der GOÄ, den Verhandlungen und der breiten Kritik daran zu befassen. Nach gründlichem Überdenken dieses Ereignisses und Erörterung mit Fachjuristen möchten wir Ihnen unsere Einschätzung mitteilen.

Bei einer ganzen Reihe von Delegierten dieses außerordentlichen Ärztetages festigt sich der Vorwurf, dass Sie durch eine rechtsfehlerhafte Sitzungsleitung der deutschen Ärzteschaft, vertreten durch die Delegierten, in ganz entscheidender Frage schweren Schaden zugefügt haben.

Der außerordentliche Ärztetag folgte nicht den Grundsätzen eines demokratischen Prozesses. So hätte der Antrag des Delegierten Dr. Joachim Calles (I – 41) nicht zur Abstimmung gelangen dürfen. Dieser forderte, dass sich die Delegierten mit allen Anträgen, „deren Umsetzung eine Unterbrechung der laufenden Verhandlungen zur Folge hat …“ nicht beschäftigen. Damit wurde den Verfassern dieser Anträge pauschal das Recht verwehrt, ihre Anliegen zur Diskussion zu stellen. Von 48 eingereichten Anträgen haben Sie nur 10 Anträge abstimmen lassen, die große Mehrheit der Anträge wurde faktisch ignoriert, nicht verlesen und lag zum großen Teil auch nicht rechtzeitig umgedruckt den Delegierten vor. Dies stellt einen klaren Verstoß gegen die Geschäftsordnung der Deutschen Ärztetage § 19 dar.

Zudem wurde von Ihnen keinerlei ausreichendes Ermessen ausgeübt, ob die betroffenen Anträge überhaupt zu einer Unterbrechung der Verhandlungen geführt hätten, oder ob sie gar im Sinne der Begründung des Antrags von Dr. Calles „gute Vorschläge und Änderungswünsche“ beinhalteten, die „sinnvoll in die Verhandlungen einzubringen sind“. Die unzulässige Abstimmung des Antrags I – 41 – wenngleich dieser mehrheitlich befürwortet wurde – hat die Rechte der Mandatsträger empfindlich verletzt.

Weitere rechtliche Prüfungen werden festzustellen haben, ob und inwieweit hierdurch Zweck und Funktion des außerordentlichen Ärztetages zunichte gemacht und damit offensichtlich der erhebliche Zeitaufwand der Delegierten wie auch der Aufwand an Beitragsmitteln für die Durchführung dieses Ärztetages vergeudet worden sind.

Die unter Ihrem Vorsitz getroffenen Beschlüsse bestätigen die bisherige Politik des Vorstandes der Bundesärztekammer in Bezug auf die Erarbeitung einer neuen GOÄ nur scheinbar. Die deutsche Ärzteschaft steht durch die von Ihnen zu verantwortende Fehlentscheidung auch nach dem außerordentlichen Ärztetag tatsächlich weiter ohne ein belastbares Votum da. Die undemokratische Sitzungsleitung hat die gefassten Beschlüsse entwertet.

Des Weiteren bezweifeln wir, dass Ihre Sitzungsleitung dem Zweck und der Funktion des außerordentlichen Ärztetages gerecht werden konnte. Denn hier besteht ein Interessenkonflikt: Als Bundesärztekammerpräsident sind Sie einerseits Hauptverantwortlicher für die GOÄ-Novellierung und haben auch in einem eigenen Wortbeitrag für die Positionen der Bundesärztekammer geworben. Andererseits ist eine solche Sitzung unparteiisch zu leiten – Sie hätten die Sitzungsleitung abgeben müssen. Offenbar bedarf es neuer Regeln in der Geschäftsordnung der Deutschen Ärztetage, die die manipulative Beschneidung der Rechte der Delegierten ausschließen.

In Erwartung Ihrer Antwort mit kollegialen Grüßen

Wieland Dietrich, Dr. Axel Brunngraber, Christa Bartels und Dr. Heinz-Jürgen Hübner
als Delegierte der Freien Ärzteschaft e. V.

Essen, 10.02.2016