Geht die elektronische Gesundheitskarte nun online?

Nach jahrzehntelangen Verzögerungen müssen bis zum 1. Januar 2019 alle Arztpraxen und Kliniken an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen sein, um mit der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) durchzuführen. Eine originäre Verwaltungsarbeit der Krankenkassen, die uns Ärzten per Gesetz aufgezwungen wird. Die Tests dazu wurden beschränkt, die Ergebnisse weder evaluiert noch veröffentlicht. Und die Testpraxen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Wir wissen also nichts über die Praktikabilität und Sicherheit dieses Vorgangs – keine Transparenz in einem staatlichen Großprojekt. Was Ärzte jetzt wissen sollten.

Was taugen „Frühbucherangebote“?

Bislang bietet nur eine Firma für sehr viel Geld die benötigten Geräte wie Konnektoren, Kartenlesegeräte und VPN-Zugangsdienste an. Mobile Kartenlesegeräte gibt es noch gar keine – ein Problem für Hausbesuche. Weitere Anbieter stehen in den Startlöchern. Zwar sollen die Zuschüsse für die Erstausstattung der Praxen drastisch sinken, aber man geht von sinkenden Preisen aus, sobald Wettbewerb entsteht. Daher empfiehlt selbst die Kassenärztliche Bundesvereinigung, sich von den „Frühbucherangeboten“ der IT-Firmen nicht unter Druck setzen zu lassen.

Wie schütze ich mein Praxisverwaltungssystem?

Laut Sozialgesetzbuch V muss das Versichertenstammdatenmanagement auch ohne Online-Anschluss an das Praxisverwaltungssystem möglich sein. Diese Regelung ist ein politisches Zugeständnis an die kritische Ärzteschaft, unser Engagement auf allen Deutschen Ärztetagen hat dazu maßgeblich beigetragen. Als sogenannte Stand-alone-Lösung kann man eine Extra-Online-Anbindung zwecks VSDM einrichten, dort die eGK aktualisieren und sie dann über einen zweiten Konnektor im Praxisverwaltungssystem einlesen. Nur durch diese physische Trennung sind die Patientendaten wirklich sicher. Und diese Variante hat den Vorteil, dass die Aktualisierung der Karte nicht die Arbeit am Praxistresen enorm verzögert, falls das VSDM lange dauert.

Was geschieht, wenn ich die Online-Anbindung nicht mitmache?

Wer ab dem 1. Januar 2019 das VSDM in seiner Praxis nicht durchführt, soll so lange mit dem Abzug von 1 Prozent des Umsatzes bestraft werden, bis er das VSDM durchführt. Viele Praxisinhaber haben schon angekündigt, das in Kauf zu nehmen, damit ihre Patientendaten nicht in diese Überwachungsstruktur einfließen – zumal Praktikabilität und Folgekosten nicht abzuschätzen sind. Und: Auch diesmal gibt es wieder Bemühungen, diese Sanktionsfrist zu verschieben.

Was versprechen weitere eGK- und eHealth-Anwendungen?

Der neue Medikationsplan wird fast nirgendwo genutzt. Kliniken scheinen ihn völlig zu ignorieren, Praxen nutzen meist die bewährten Pläne weiter – ohne hohe Investitionen in teure Software. Die Tests für den aufwendigen Notfalldatensatz werden abgespeckt, die Gematik setzt auf ein industriefreundliches Testmodell. Die geplante zentrale elektronische Patientenakte kann nicht wirklich geschützt werden. Hier sind ausschließlich dezentrale Lösungen angebracht. Es gibt längst verschlüsselten Datentransfer, zum Beispiel mittels GnuPG, der ohne Zusatzkosten zwischen Praxen und Kliniken realisiert werden könnte. Ein einziger Flop ist auch die „Videosprechstunde“, hier werden nur die Technikkosten finanziert, die ärztliche Tätigkeit scheint für die Krankenkassen nichts wert zu sein.

Wie verhalte ich mich jetzt am besten?

Alle Ärzte, die ihre Daten und ihre Praxisabläufe schützen wollen, sollten abwarten und – wenn überhaupt – die Stand-alone-Lösung realisieren. Eine persönliche Entscheidung bleibt es, 1 Prozent Honorarabzug in Kauf zu nehmen. Es ist derzeit mehr als fraglich, ob der Stichtag 1.1.2019 Bestand haben wird. Insider gehen davon aus, dass der Anschluss aller Praxen und Kliniken an die zentrale Infrastruktur bis dahin völlig unrealistisch ist und der Termin vermutlich erneut verschoben werden muss.

Dr. Silke Lüder, 07.02.2018