Alles ein Informationsproblem? – Big Data in der Medizin

Lüder_1IT-Großkonzerne propagieren, dass das Kernproblem aller gesellschaftlichen Bereiche ein Informationsproblem sei. Um dies zu bewältigen, müsse man auch im Gesundheitswesen große Datenberge anhäufen. Ist das so? Müssen sich Ärzte diesem Paradigma anpassen? Oder haben sie nicht ganz andere Aufgaben? Der Redebeitrag von FÄ-Vizevorsitzender Dr. Silke Lüder auf dem Kongress Freier Ärzte 2016.

Ende 2015 wurde das E-Health-Gesetz im Bundestag verabschiedet. Zu später Stunde, nach kurzer Diskussion vor wenigen Abgeordneten. Kritik kam nur von Kathrin Vogler aus der Fraktion Die Linke, alle anderen betonten ihre große Einmütigkeit für das wunderbare E-Health-Projekt. In letzter Minute war noch das Einspeisen der Daten von Fitness-Armbändern der Versicherten in das Gesetz eingefügt worden, es muss sich ja schließlich modern anhören. Ansonsten besticht es durch viel Peitsche und wenig Zuckerbrot für die Praxisärzte, die die Ziele der Telematikmedizin umsetzen sollen. Aber selbst die Spitzen gesetzlicher Krankenkassen werden seit Neuestem mit Strafzahlungen bedroht. Kassen und KBV als Körperschaften des öffentlichen Rechts sollen geschätzte 20 Prozent ihrer Verwaltungsgebühren verlieren, wenn sie es nicht schaffen, alles einzuführen, was Bundesgesundheitsminister Gröhe ihnen vorschreibt.

Da wäre als Erstes das sogenannte Versichertenstammdatenmanagement (VSDM). Praxen werden zu Kontrollaußenstellen der Kassen. Aber der tiefere Grund des VSDM ist natürlich, dass alle Praxen an eine zentrale Infrastruktur angeschlossen werden. Diese Infrastruktur, 2014 von Arvato (Bertelsmannkonzern) errichtet, ist der Dammbruch zu einem Riesendatennetz. Alle Medizindaten in einem großen Datengebirge, das soll die Lösung bringen. Alle als dunkle Wolken heraufziehenden Probleme des Gesundheitswesens werden dadurch angeblich gelöst. Vergreisung der Patienten, Vergreisung der Ärzte, verödete Landstriche, in denen es keinen Supermarkt, keine Arbeitsplätze und keine Praxen mehr gibt, alles kein Problem, wir haben ja die Telemedizin. Und die Gesundheitskarte. Dumm nur, dass die Industrie bis heute immer noch nicht geschafft hat, die technischen Komponenten zur Verfügung zu stellen z. B. neue Kartenlesegeräte und Konnektoren für sechsmonatige Tests, Evaluation und Realbetrieb des ganzen Spektakels ab 1.7.2016.Tests finden bis dato gar nicht statt. Das ganze Projekt scheitert eigentlich seit zehn Jahren vor sich hin. Warum also wird es trotzdem immer weiter durchgezogen? Und zwar inzwischen mit brachialen Methoden von Minister Hermann Gröhe, mit finanziellen Sanktionen und Zeitfenstern, die absehbar nicht zu halten sein werden?

Um das zu verstehen müssen wir uns ein bisschen in die Philosophie des Ganzen einarbeiten. Und da es geplant wurde als Kernstück von e-Gouvernement, elektronischem Regieren des Staates, muss man schauen, was die Gesundheitskarte mit staatlicher Herrschaftstechnik zu tun hat. Denn es gibt hier Zusammenhänge, die sich uns nicht sofort erschließen.

Alles auf eine Karte, das hatten Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und Joschka Fischer von den Grünen in einem Kabinettsbeschluss 1999 verkündet. Alles zusammengeführt, der digitale Personalausweis, die Jobkarte und die Gesundheitskarte. Damit sollte dann der totale elektronische Datenaustausch in allen Gesellschaftsbereichen erfolgen und das elektronische Regieren des Staates, e-Government. Der Soziologe Oliver Decker von der Universität Leipzig hat schon 2005 in seiner viel beachteten Veröffentlichung gesagt, dass es bei dem e-Card-Projekt auch um eine verfeinerte Herrschaftstechnik des modernen Staates ginge. Wie hat er das hergeleitet?

Decker beruft sich auf den französischen Philosophen Michel Foucault, der 1984 gestorben ist und sich mit den Herrschaftstechniken moderner Gesellschaften im Gegensatz zu Herrschaftstechniken im Absolutismus auseinandergesetzt hat. Im Absolutismus hatten Herrscher die Kontrolle ihres Territoriums nur mit repressiven Herrschaftstechniken aufrechterhalten können. Feinde, Störer und Kranke wurden in dunklen Verliesen weggesperrt. Für moderne Staaten hat Foucault den Begriff von „Gouvernementalität“ entwickelt, ein Kunstwort, zusammengesetzt aus den Begriffen „Regieren“ („gouverner“) und Denkweise („mentalite“).

Was also sollte nun nach Foucault und auch nach Oliver Decker das typisch Andere an den Herrschaftstechniken eines modernen Staates der heutigen Zeit sein? Die nationalstaatliche „Disziplinargesellschaft“ die sich im 17. und 18. Jahrhundert entwickelt hat, kontrolliere ihre einzelnen Mitglieder durch systematisches „Sichtbarmachen“. In der Disziplinargesellschaft verschiebe sich die staatliche Dokumentation in ein Zentrum, in dem die Informationen zusammenlaufen. Die Individuen müssten für dieses Zentrum sichtbar sein, ohne es selbst sehen zu können. Die Gouvernementalität zielt auf ein Regieren aus der Distanz. Mit dieser Kontrolltechnik, übernehme das Individuum selbst seine Prüfung auf die herrschende Rationalität und setze diese gegen sich selbst durch.

Zur Illustration bediente sich Foucault des Gefängnismodells des englischen Ökonomen und Philosophens Jeremy Bentham, genannt das Panoptikum. Allen Bauten des Panoptikum-Prinzips ist gemeinsam, dass von einem zentralen Ort aus alle Fabrikarbeiter oder Gefängnisinsassen beaufsichtigt werden können. Im Mittelpunkt steht ein Beobachtungsturm, von welchem aus Zelltrakte abgehen (in sog. Strahlenbauweise).

So kann der Wärter in der Mitte in die Zellen hineinsehen, ohne dass die Insassen wiederum den Wärter sehen können. Die Gefangenen sind aus der Sicht des Wärters im Gegenlicht gut sichtbar, der Wärter selbst jedoch kann im Dunkel seines Standortes nicht ausgemacht werden. Mithin wissen die Gefangenen nicht, ob sie gerade überwacht werden. Kuba, Presidio Modelo, 1928 . Von diesem Konstruktionsprinzip erhoffte sich Bentham, dass sich alle Insassen zu jeder Zeit unter Überwachungsdruck regelkonform verhalten, also abweichendes Verhalten vermeiden, da sie jederzeit davon ausgehen müssten, beobachtet zu werden. Derjenige, welcher der Sichtbarkeit unterworfen ist, übernimmt die Zwangsmittel der Macht und spielt sie gegen sich selbst aus; er internalisiert das Machtverhältnis, in welchem er gleichzeitig beide Rollen spielt; er wird zum Prinzip seiner eigenen Unterwerfung, so Foucault. Und nach Decker führe diese Technik der Macht gleichzeitig auf Seiten des Individuums zu einer Selbstobjektivierung, einer Prüfung der Handlung und Motive auf ihre Kompatibilität mit der gesellschaftlichen Realität.

Für Decker realisiert sich die panoptische Phantasie Benthams mit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Die geplante Serverarchitektur gestatte, sämtliche Ereignisse mit einem minimalen Aufwand zu dokumentieren. Jeder Abruf der Daten werde registriert und gespeichert, nur vermeintlich vor allem für die Transparenz für den Gespeicherten selbst. Jeder Arztbesuch werde dokumentiert, jede Krankheit festgeschrieben, jede Teilnahme an präventiven Maßnahmen dokumentiert. Die Kontrolle der so Überwachten, so Decker, könne sich zu jedem Zeitpunkt vollziehen, ohne dass diese von den Betroffenen zu bemerken wäre. Sie wüssten um die Überwachung und stellten ihr Verhalten künftig darauf ab. Die Wirkung der panoptischen Überwachung beträfe sowohl Patienten als auch Angehörige der Heilberufe, die „hinsichtlich ihrer eigenen Intervention, Dokumentation und etwa in ihrer Weiterbildung zu jedem Zeitpunkt zu kontrollieren seien, ohne dass diese Kontrolle für sie bemerkbar wäre“. Ich denke, jeder von uns kann bestätigen, dass Deckers Feststellungen von vor elf Jahren sich inzwischen zumindest teilweise in fast prophetischer Weise bestätigt haben.

Ermöglicht durch moderne Techniken, durch kleine Smartphone-Computer, die jeder in der Hosentasche mit sich herumträgt, vermessen sich angeblich zwei Drittel aller Menschen heute selbst. Wie viele Schritte bin ich heute gegangen, wie habe ich heute Nacht geschlafen? Die meisten dieser Informationen wandern, von den Inhabern der Smartphones unbeachtet, auch noch in die Clouds der Konzerne aus dem Silicon Valley. Hier wird eine weltweite Überwachung einzelner Individuen realisiert, die von den Überwachten subjektiv meistens völlig ignoriert wird. Das Wissen um die Überwachung wird verdrängt. Wenn aber der Einzelne gefragt wird, ob er bereit ist, seine sensiblen Daten zum Beispiel bei einer Gegenleistung seiner Krankenkasse gegenüber offenzulegen, dann lehnen das bis heute noch bei Befragungen mehr als zwei Drittel aller Versicherten ab. Eine gewisse Schizophrenie im Verhalten ist hier festzustellen, die etwas mit der Illusion von Selbstbestimmung zu tun hat: Ich habe ja mein Smartphone und die Fitness-Watch selbst in der Hand, dass ich damit meine Daten laufend in die USA schicke, verschwindet da einfach bei den meisten Bürgern in ihrem persönlichen Erleben.

Was hat das jetzt mit dem Projekt elektronische Gesundheitskarte zu tun?

Die Gematik, die Einführungsorganisation der e-Gesundheitskarte, muss bis Ende des Jahres ein Konzept entwickeln, wie diese ganzen Selbstvermessungsdaten in die Telematikinfrastruktur eingefügt werden können. Die Gematik wird mit alleine 50 Prozent Stimmenanteilen beherrscht von den gesetzlichen Krankenkassen. Und bei privaten und gesetzlichen Kassenvertretern wird heute schon ganz klar geplant, was man mit den Daten der selbstvermessenden Patienten so alles anfangen kann. Die private Generali Versicherung bietet günstige Versicherungstarife für Menschen, die ihre persönlichen Fitnessdaten an die Kasse melden. Techniker-Vorstand Jens Baas forderte, dass für jeden Versicherten eine elektronische Patientenakte bei der Kasse geführt werden soll. Sein Ziel: von der Kasse gesteuerte Versorgung, Managed-Care-Medizin, die es in den USA schon lange gibt.Zitat des Techniker-Chefs: „Wir wissen dann, dass der Versicherte eine Depression hat, stellen auf einmal über seine App fest, dass seine Bewegungsmuster auffällig werden und werden dann tätig.“ Big Brother lässt grüßen. Und bei einer Pressekonferenz des Spitzenverbandes der Kassen wurde letztes Jahr davon gesprochen, dass man mit der Überwachung aller Patientendaten eben auch in die ärztliche Therapie direkt reingrätschen kann. Vorstellbar wäre, dass der Medizinische Dienst der Kassen auf Grundlage der Patientenakten festlegt, welcher Patient eine teure Therapie bekommt und welcher nicht. Erst die Boni für brave Datensammler, später kommen dann die Mali. Erhöhte Beiträge für Raucher, faule übergewichtige Couch-Potatos. Träger schlechter Gene, die eine Therapie nicht bekommen. Das ist sicher nicht das, was sich die Bürger heute vorstellen. Aber das ist genau das, was geplant wird. Heute freuen sich Versicherte noch, wenn die AOK ihnen Geld für eine Apple Watch zuschießt. Nicht klar ist ihnen, im Rahmen welcher Philosophie von Krankheit und Gesundheit sich Entwicklungen in der Umgebung einer digitalisierten Welt abspielen. Aber ist es uns als Ärztinnen und Ärzten denn eigentlich klar?

Was ist Krankheit? Zufall oder Schicksal? Oder selbstverschuldet durch irrationale Lebensführung? Wie ist das Verhältnis vom Individuum zum Kollektiv? Darf man diese Frage heute noch stellen? In Zeiten, in denen alle Gene entschlüsselt werden und sich 300 internationale Großfirmen mit Bio- Deutschland aus dem Bereich Labor, Pharma, Bankenkapital und IT-Industrie zu dem Goldgräberverband schlechthin zusammengeschlossen haben? Auch diese Frage kann ohne einen kurzen Exkurs in historische Betrachtungen nicht beantwortet werden.

Vor 80 Jahren wurde diese Frage in Deutschland so gestellt: Das Individuum verschwand im Körper der Volksgesundheit. In vielen Fabrikhallen hingen Schilder: Du hast dich gesund zu erhalten im Dienst der Volksgesundheit. Worum ging es? Um Prävention. Um Public Health, damals Volksgesundheit. Teilgebiete von Public Health sind Epidemiologie, die Seuchenhygiene, und nicht zu vergessen die Versorgungsforschung mit ihren Kosten-Nutzen-Analysen vor allem bei retrograder Betrachtung. Es geht um Krankheiten von Gruppen, Kohorten, ganzen Bevölkerungen. Nicht um den Einzelnen, das Individuum. Und in Zeiten, wo keiner mehr von Medizin, sondern nur noch alle von Versorgung sprechen, sollten wir selbstkritisch unsere eigene Sichtweise und die Wortwahl in Frage stellen. Gibt es heute nicht eine immer größer werdende Schieflage in dem Verhältnis von Kollektiv zu Individuum? Und was wäre in den zurückliegenden deutschen Diktaturen passiert, wenn man die technischen Überwachungsmöglichkeiten von heute gehabt hätte? Und wissen wir heute, wie unser politisches System in Zukunft aussehen wird?

Aber nicht nur Kassenvorstände springen gerade auf den Zug von Digital Health und totaler Datenüberwachung auf, auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung bei ihrer kürzlichen Tagung zum Thema will da nicht zurückstehen. Alle Daten aus dem Gesundheitswesen sollen zentralisiert gespeichert werden, alle Sozial- und Abrechnungsdaten, Daten aus amtliche Erhebungen, nationalen Kohortenstudien, Umwelt- und klinische Daten und „unstrukturierte Alltagsdaten“ aus Fitness-Apps und Bewegungsprofilen. Es müsse eine patientenvollständige Datenanalyse möglich sein, schwach geschützt durch Pseudonymisierung, mit Big-Data-Algorithmen ausgewertet sollte das Ganze dann Aufschluss über die Probleme im Gesundheitswesen geben, wie Kollege Gassen sagte, eine Art GPS im Gesundheitswesen. Das Ganze solle der Versorgungsforschung dienen. Die KBV als Hüter eines Superdatenberges. Wie kommt die KBV dazu, so einen Superdatenberg zu planen? Warum glaubt man nur, mit einem solchen Versorgungsdatenberg die ambulante Medizin sichern zu können? Der Ausgangspunkt findet sich bei den Großkonzernen aus dem Silicon Valley, die inzwischen mit ihren Überwachungsstrukturen die Welt unter sich aufteilen. Sie propagieren im eigenen finanziellen Interesse, dass das zentrale Kernproblem aller gesellschaftlichen Bereiche, also auch des Gesundheitswesens, ein Informationsproblem sei. Und deshalb ginge es darum, große Datenberge anzuhäufen, um diese Probleme zu bewältigen. Und ich frage Sie: Ist das so? Müssen wir uns diesem Paradigma als Ärztinnen und Ärzte anpassen? Haben wir nicht vielmehr die Aufgabe, wie auch sonst in unserem Beruf täglich praktiziert, zunächst eine richtige Anamnese und Analyse durchzuführen, dann eine entsprechende Diagnose und Synthese zu stellen, um anschließend möglichst auch noch dem Patienten bei der Bewältigung des Problems zu helfen? Aber in dieser Reihenfolge.

Meine Analyse des deutschen Gesundheitswesens und seiner Erkrankung sieht ganz anders aus. Wir haben eine Privatisierung durch Großkonzerne im Klinikbereich, die kombiniert mit einem falschen Vergütungssystem namens DRG zur deutlichen Verschlechterung der Medizin geführt hat. Trotzdem werden keine Konsequenzen gezogen. Wir haben eine deutliche Unterfinanzierung im ambulanten Bereich, hier geht die Schere zwischen den Ausgaben der Gesetzlichen Kassen von 16 Prozent für den ambulanten und 36 Prozent für den stationären Sektor immer weiter auseinander. Dadurch und durch ein krankes Vergütungssystem wird der ambulanten Grundlagenmedizin immer mehr das Wasser abgegraben. Das, ist das Hauptproblem der Medizin in Deutschland. Daten alleine heilen nicht.

Was brauchen Patienten und ihre Ärzte? Wissen und Erfahrung, Vertrauen auf beiden Seiten, eine gute ärztliche Software zwischen den Ohren, gute Kommunikation, Empathie, die man braucht für eine schwere und verantwortungsvolle Tätigkeit, last but not least: bezahlte Zeit.
Alle noch vorhandenen Informations- und Kommunikationsprobleme wären leicht zu lösen, wenn man sich mit einer neuen Philosophie und unter Schutz der ärztlichen Schweigepflicht mit Einbindung der Praktiker den Hausforderungen der digitalen Transformation der Gesellschaft stellen würde. Und genau das ist es, was wir tun. Wir bestehen auf dieser Reihenfolge des Prozesses. Wir sind die Hüter des Patientengeheimnisses als Basis ärztlicher Tätigkeit. Wir sind technikaffin, aber wir wollen unsere Arbeit nicht verdaten und verkaufen lassen. Wir laufen der Fata Morgana von komplett sensorvernetzten Menschen und einer dazu passenden Präzisionsmedizin nicht hinterher und wir glauben auch nicht daran, dass die prädiktive Diagnostik neben der Quantifizierung individueller Risiken auch gleich immer etwas zur Lösung für den Betroffenen beitragen kann. Moderne Informationstechniken haben in erster Linie der medizinischen Arbeit zu dienen und nicht der Totalüberwachung einer komplexen Gesellschaft. In dieser Hinsicht sehe ich auch die Aktivitäten aus Teilen der Berufsverbände wie zum Beispiel der DEGIM mit Herrn Hasenfuß an der Spitze durchaus kritisch. Auf jährlichen „Opinion leader Meetings“ wird in den Chor der interessierten Industrie eingestimmt mit Sätzen wie: Datenschutz kann schaden, und „die traditionelle Boxenstopp-Medizin muss aufhören“, der Patient müsse doch nicht dauernd zum persönlichen Arztbesuch erscheinen. Datenübertragung in Telemedizin reiche doch häufig auch. Vielleicht für Herrn Hasenfuß, der noch nie in der ambulanten Medizin tätig war. Wir als ambulante Ärzte sehen durchaus die nicht ersetzbaren Vorteile der persönlichen Behandlung. Für uns verschwindet der Patient noch nicht hinter einem Datenkörper im Computer.

Wir haben als Freie Ärzteschaft als Teil eines großen Bündnisses aus der Zivilgesellschaft namens „Aktion Stoppt die e-Card“ ein staatliches Unsinnprojekt maßgeblich kritisiert. Seit zehn Jahren. Wir prüfen eine Verfassungsbeschwerde gegen das E-Health-Gesetz. Und jeder Praxisunternehmer kann sich weigern, weitere sensible Daten seiner Patienten einzustellen, wenn er von der Sinnhaftigkeit des Projektes nicht überzeugt ist. Weder den Notfalldatensatz als hyperkomplex geplante komprimierte elektronische Patientenakte, noch die Online-Speicherung der Medikamentendaten oder die Einführung einer zentralen e-Akte kann der Staat leicht durchsetzen. Hier haben wir die Verantwortung. Und auf die ausgelobten peinlichen finanziellen Lockmittel sollten wir verzichten. Lassen wir uns diese wichtige ärztliche Verantwortung nicht nehmen. Bürokraten können nicht heilen.