Freie Ärzteschaft: Ein Patientendatenschutz-Gesetz, das die Patientendaten nicht schützt
Vertraulichkeit und Schutz der Patientendaten bei der elektronischen Patientenakte? Schön wär’s! Nach Einschätzung der Freien Ärzteschaft (FÄ) ist bei der elektronischen Patientenakte – kurz ePA genannt – nichts sicher. „Vertraulichkeit, Integrität und Datensicherheit entsprechen nicht dem Sicherheitsprofil ‚hoch‘, was aber bei Medizindaten gefordert ist“, sagte FÄ-Vizevorsitzende Dr. Silke Lüder am Freitag in Hamburg. Darüber sollte der Name des neuen „Patientendatenschutz-Gesetzes“ von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nicht hinwegtäuschen.
Statt überzeugende und sichere digitale Lösungen für die Kommunikation im Gesundheitswesen anzubieten, präsentiere Spahn eine ePA aus der Hand der Krankenkassen, bei der über Handy-Apps alle Krankheitsdaten künftig zentral bei IT-Firmen gespeichert werden sollen. „Ärztinnen und Ärzte können durch dieses Gesetz gezwungen werden, eine medizinisch mehr als fragwürdige Akte zu befüllen“, erläutert Lüder. „Diese ePA ist unsicher, unzuverlässig und die Bearbeitung raubt den Ärzten wertvolle Zeit, die eigentlich für die Behandlung der Patienten benötigt wird.“
Seit Langem warten Ärzte und Psychotherapeuten auf digitale Werkzeuge, die den sicheren Datenaustausch im Gesundheitswesen unterstützen. Das Projekt „Elektronische Gesundheitskarte“ wurde einmal geplant, um die Kommunikation vor allem zwischen Ärzten in Kliniken und Praxen zu verbessern. Die FÄ-Vize fasst zusammen: „16 Jahre und viele Milliarden später bleibt davon nichts übrig. Stattdessen kommt jetzt eine unsichere App-Lösung, die auch keine medizinische Verlässlichkeit bietet, weil Daten selektiert und gelöscht werden können.“
Mehr noch: Zudem sollen künftig rund zwei Millionen Beschäftigte im Gesundheitswesen auf die Patientendaten zugreifen können. Die Krankenkassen dürfen Versicherten „Zusatzangebote“ machen, wenn diese ihre Daten der Kasse gegenüber offenlegen. Zumindest im ersten Jahr nach Einführung der ePA können Versicherte nicht entscheiden, welche Ärzte welche Aktenteile einsehen können. „Handy-Apps“, betont Lüder, „beinhalten so viele Sicherheitslücken, dass der generelle Zugriff damit auf die sensibelsten Daten der Menschen nicht zu akzeptieren ist.“ Spahn ignoriere damit nicht nur das Bedürfnis und das Recht der Bürger, dass ihre medizinischen Daten sicher aufgehoben sind, sondern auch, dass Ärzte die Daten ihrer Patienten schützen wollen und müssen sowie eigenverantwortlich arbeiten wollen. „Zu viel Fremdbestimmung beschädigt maximal die hohe intrinsische Motivation und Empathie von Ärzten und Psychotherapeuten“, betont FÄ-Vize Lüder. Erfahrungen aus den USA zeigten, dass der Druck, sich mit unsortierten Datenbergen befassen zu müssen, eine der Hauptursachen für Burn-out bei Ärzten sei.