Freie Ärzteschaft appelliert an Kassenärztliche Vereinigungen: Kurs halten gegen Spahns Digitalpolitik

In einem offenen Brief an die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatten sich mehrere Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) kürzlich gegen die Digitalisierungsvorhaben von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn positioniert. Die Freie Ärzteschaft (FÄ) bestärkt die KVen darin, ihre Forderungen gegenüber der KBV und dem Ministerium weiter unbeirrt zu vertreten. „Das sind die KVen den Vertragsärzten und Patienten schuldig – jetzt gilt es, hartnäckig zu bleiben“, sagte FÄ-Vorsitzender Wieland Dietrich am Dienstag in Essen. „Denn Spahn hat inzwischen signalisiert, dass er lediglich eine spätere Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für möglich hält, ansonsten aber keine Konsequenzen aus den massiven Problemen mit der Telematik-Infrastruktur (TI) ziehen will.“

Die KVen hatten die KBV in ihrem Brief aufgefordert, „Minister Spahn zu bitten, durch eine Gesetzesänderung die Sanktionen einer nicht stattgefundenen TI-Anbindung bis zu dem Zeitpunkt auszusetzen, bis eine sichere softwarebasierte Vernetzungsstruktur für die Praxen geschaffen ist“. Dietrich erläutert, was das bedeutet: „Das jetzige System der TI mit Konnektoren ist technisch überholt und sämtliche Sanktionen sind auszusetzen – die KBV muss dies bei Spahn durchsetzen.“ Zudem hatten die KVen gefordert, dass die KBV auf eine vollständige Finanzierung aller TI-Kosten inklusive Datenschutzfolgeabschätzungen außerhalb der vertragsärztlichen Honorierung hinwirkt. „Das gilt“, betont der FÄ-Chef, „insgesamt für die Behebung aller Schäden und Kosten durch Ausfälle der TI, die nach wie vor auf die Vertragsärzte abgewälzt werden sollen. Dasselbe gilt für die Datensicherheitsrichtlinie mit Kosten für die Praxen in unabsehbarer bis ruinöser Höhe.“

Die KVen hatten auch deutlich gemacht, dass die Akzeptanz der TI in der jetzigen Konzeption unter Ärzten und Psychotherapeuten schwindet. „Sollten KVen und KBV trotzdem die Politik von Spahn umsetzen, werden immer mehr Vertragsärzte aufgeben oder sich verweigern“, betont Dietrich. Das gefährde die ambulante Medizin in Deutschland. „Die gewaltigen Risiken bei Funktionalität, Stabilität, Datensicherheit, Praktikabilität und Kosten sowie die fehlende Akzeptanz machen das Scheitern der TI unübersehbar – das hat auch die KBV inzwischen erkannt.“ Sie müsse nun die bereits formulierte Ablehnung der TI durchsetzen, um glaubwürdig zu bleiben.

Ein System der elektronischen Speicherung von Patientendaten werde von Ärzten und Patienten nur dann akzeptiert, wenn es sicher, nützlich und kostengünstig ist. Das gelte aktuell auch besonders für die elektronische Patientenakte (ePA), deren Einführung Spahn mit dem Patientendaten-Schutzgesetz durchdrücken will – ungeachtet der Kritik am Datenschutz. Für Dietrich steht zudem außer Frage: „Jegliche Art von Vernetzung im Gesundheitswesen und Speicherung von Patientendaten muss für Ärzte wie Patienten freiwillig sein.“