Freiberufliche Arztpraxen sind der Schutzschirm für das Medizinsystem

Foto: Adobe Stock/Alexander Raths

Bei der Bewältigung der Corona-Pandemie steht Deutschland im weltweiten Vergleich so gut da, dass man sich im Ausland fragt: Wie machen die Deutschen das? Die Freie Ärzteschaft (FÄ) sieht den Erfolg unter anderem in der Schlagkraft der ambulanten Medizin in Deutschland. „Rund 160.000 Ärztinnen und Ärzte arbeiten in den Haus- und Facharztpraxen in den Groß- und Kleinstädten sowie auf dem Land. Sie behandeln die Menschen wohnortnah und können schnell und flexibel auf die lokale und regionale Lage reagieren – unabhängig von staatlicher Steuerung“, sagte FÄ-Vorsitzender Wieland Dietrich am Dienstag in Essen.

Die Arztpraxen sorgen dafür, dass viel weniger Patienten in die Kliniken und in dort angeschlossene Zentren gehen, so wie das oft etwa in europäischen Nachbarländern der Fall ist. „Zum einen werden die Kliniken dadurch entlastet, zum anderen entstehen dort weniger Infektionscluster“, betont der FÄ-Chef. Sechs von sieben Covid-19-Patienten werden ambulant behandelt. Schnell und unbürokratisch entwickeln die Praxen Lösungen. In manchen Regionen haben sich Praxen beispielsweise untereinander aufgeteilt: in Praxen, die Patienten mit Covid-19 oder Verdacht auf Covid-19 behandeln und Praxen, die alle anderen Patienten behandeln.

Dietrich erläutert: „Die dezentrale Struktur unseres ambulanten Gesundheitswesens mit freiberuflichen Haus- und Fachärzten, die eigenständig medizinische und unternehmerische Entscheidungen entsprechend dem lokalen Bedarf treffen, trägt mit zur Eindämmung der Pandemie bei.“ Staatliche oder konzerngesteuerte Einrichtungen müssten bei unvorhersehbaren Situationen hingegen erst auf zentrale Vorgaben und Entscheidungen warten.

Auch das hohe professionelle Niveau der ambulanten Medizin in Deutschland dürfte die Bekämpfung der Pandemie unterstützen. „Die niedergelassenen Haus- und Fachärzte – allesamt mit Facharztausbildung – sind diagnostisch umfassend ausgestattet und führen etwa 90 Prozent aller ärztlichen Behandlungen durch“, betont FÄ-Vize Dr. Axel Brunngraber. Im Gegensatz dazu seien etwa die „General Practitioners“ in den Niederlanden mit wenig mehr als einem Stethoskop und einer Blutdruckmanschette ausgestattet und müssten mangels niedergelassener Fachärzte ihre Patienten mit zahlreichen medizinischen Fragestellungen direkt in die Klinikambulanzen schicken. „Je höher aber der Patientenandrang in Kliniken ist“, sagt Brunngraber, „desto größer ist das Risiko der weiteren Virusverbreitung.“