Corona-Pandemie: Ärzte und Pflegekräfte benötigen Unterstützung – statt Zwangsrekrutierung ohne Schutz
Mit maximalem Einsatz stemmen derzeit Hunderttausende Ärztinnen und Ärzte sowie Millionen Pflegerinnen, Pfleger und andere medizinische Fachkräfte das Gesundheitswesen in Deutschland – in den Arztpraxen wie in den Krankenhäusern. Wieland Dietrich, Vorsitzender der Freien Ärzteschaft (FÄ) betont: „Im Laufe der Corona-Pandemie haben sich bereits zahlreiche Freiwillige wie Ärzte aus dem Ruhestand, aus Medizinberufen Ausgestiegene und Medizinstudierende gemeldet, um bei der Bewältigung dieser Krise zu helfen.“ Das freiwillige Engagement sei enorm und dürfe keinesfalls durch Zwang ersetzt werden, sagte Dietrich am Montag in Essen.
Der FÄ-Chef nimmt damit Stellung zu einer Gesetzesinitiative in Nordrhein-Westfalen. Behörden könnten demnach Ärzte, Pfleger und Rettungskräfte verpflichten, mit gegen die Epidemie zu kämpfen. Der FÄ-Chef macht klar: „Das ist ein ganz falsches Signal an Ärzte, Pflegepersonal und Öffentlichkeit. Denn es mangelt nicht an deren Motivation, sondern an Schutzausrüstung, besonders auch in den Praxen der niedergelassenen Haus- und Fachärzte. Hier liegen die Versäumnisse eindeutig bei der Politik – und hier sind umgehend Lösungen gefordert. Es gilt auch das Recht auf Selbstschutz des stationär und ambulant tätigen Medizinpersonals, wie es etwa in den ärztlichen Berufsordnungen verankert ist.“
Zugleich müssten alle Patienten und Pfegebedürftige, die nicht mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 infiziert sind, in den Praxen und Kliniken weiter behandelt und geschützt werden. „Vor allem die chronisch Kranken dürfen wir nicht zusätzlich gefährden, weil medizinisches Personal unzureichend geschützt ist“, betont Dietrich. „Und generell sind alle anderen Krankheiten wie beispielsweise Bluthochdruck, Diabetes oder Krebserkrankungen immer noch da und müssen weiterhin behandelt werden – hier ist die medizinische Betreuung unbedingt aufrechtzuerhalten!“ Inzwischen hätten Ärzte bereits Sorgen geäußert, dass etwa Menschen mit einem Herzinfarkt oder Schlaganfall durchs Netz fallen.
Der FÄ-Chef erwartet zudem, dass Entscheidungen darüber, welcher Arzt in welchem Bereich eingesetzt werden soll, nur von der Ärzteschaft selbst getroffen werden können. „Wer soll denn diese Kompetenz sonst haben? Die Politik hat in den vergangenen Jahren die ärztlichen Ressourcen in den Gesundheitsämtern immer weiter zurückgebaut. Das war ein fataler Fehler.“ Zudem stelle sich die Frage, wer die Verantwortung für Folgeschäden übernehme, wenn etwa niedergelassene Ärzte ohne ausreichenden Schutz zur Behandlung von Covid-19-Patienten verpflichtet würden und dann ihre eigenen Patienten behandelten und womöglich gefährdeten. „Zwang zerstört die hohe intrinische Motivation von Ärzten und Pflegepersonal. Und eine Behandlungspflicht ohne Schutz wäre Körperverletzung an den medizinischen Fachberufen – ein absolutes Unding!“
Über die Freie Ärzteschaft e.V.
Die Freie Ärzteschaft e. V. (FÄ) ist ein Verband, der den Arztberuf als freien Beruf vertritt. Er wurde 2004 gegründet und zählt heute mehr als 2.000 Mitglieder: vorwiegend niedergelassene Haus- und Fachärzte sowie verschiedene Ärztenetze. Vorsitzender des Bundesverbandes ist Wieland Dietrich, Dermatologe in Essen. Ziel der FÄ ist eine unabhängige Medizin, bei der Patient und Arzt im Mittelpunkt stehen und die ärztliche Schweigepflicht gewahrt bleibt.