Muss ich jetzt doch den Konnektor installieren lassen und meine Praxis an die TI anbinden?

So oder ähnlich lauten die Fragen, die sich verunsicherte Kassenärzte stellen, angesichts des zunehmenden Drucks, der von Politik, IT-Industrie und zuletzt auch den Kassenärztlichen Vereinigungen aufgebaut wird. Da lohnt es sich, einmal nüchtern die Fakten zu betrachten – zumal die Frist zur Anbindung an die Telematik-Infrastruktur (TI) erneut verschoben wurde auf nun Ende Juni 2019 und die Bestellfrist auf Ende März 2019.

Es gibt einen gesetzgeberischen Willen, alle Praxen und MVZ an eine zentrale Datenverarbeitung anzuschließen, zunächst nur zum Stammdatenabgleich, später auch zur elektronischen Übermittlung von AU-Bescheinigungen, wegen elektronischen Patientenakten, Medikationsplänen, usw.

Seinen Willen hat der Gesetzgeber im SGB V formuliert und auch eine Drohung hineingeschrieben, nämlich einen Honorarabzug von ein Prozent für diejenigen, die sich dem Anschluss an die Telematik-Infrastruktur (TI) verweigern. Weitergehende Sanktionen stehen nicht im Gesetz. Während der Gesetzgeber bei Verstößen gegen die Fortbildungspflicht mehrstufige Sanktionen ins SGB V geschrieben hat (nämlich zunächst einen Honorarabzug von zehn Prozent, dann von 20 Prozent und wenn das auch nicht fruchtet, die Einleitung eines Zulassungsentziehungs-Verfahrens), gibt es bei der verweigerten TI-Anbindung nur eine einzige Sanktion: den einprozentigen Honorarabzug.

Der Vertragsarzt kann sich also die Frage stellen, ob er einfach den einprozentigen Honorarabzug in Kauf nimmt, oder sich die Mühen, Kosten und Unwägbarkeiten der Installation des Konnektors aufbürden möchte. Bekanntlich birgt der Anschluss der Praxis-EDV ans Internet Risiken hinsichtlich des Schutzes der höchst sensiblen Gesundheitsdaten der Patienten und das Risiko, dass der Praxisrechner gehackt und mit Schadsoftware, Trojanern o. ä. infiziert wird, was im ärgsten Fall zum Ausfall des Rechners und empfindlichen Honorarverlusten führen kann.

Anfänglich hatten die KVen die Hoffnung, dass sich ein Markt bilden würde, der die Kosten der Konnektoren und des laufenden Betriebs senken würde. Das ist wegen der Kleinheit des Marktsegmentes nicht eingetroffen. Außerdem schüren die Anbieter der Praxissoftware die Angst, ein fremder Konnektor könne in Teilen inkompatibel sein. Bei Störungen wäre dann oft nicht zu klären, ob diese vom Konnektor oder der Interaktion mit der Praxis-Software ausgingen. Streit um Verantwortlichkeiten und erhöhte Kosten wären die Folge davon, dass ein Praxisinhaber sich einen fremden Konnektor installieren lässt. Im Ergebnis ist man also wohl auf Gedeih und Verderb seinem Softwarepartner ausgeliefert und dessen Preisgestaltung.

Was kann also einem Arzt passieren, der dem aktuellen Druck nicht weicht und weiterhin keinen Auftrag erteilt, seine Praxis mit einem Konnektor an die zentrale TI anschließen zu lassen?

Aktuell nichts außer dem im Gesetz stehenden einprozentigen Honorarabzug. Gegen den könnte der Arzt zwar in Widerspruch gehen und dann auch klagen. Da aber Einzelklagen vor den Sozialgerichten meistens wenig erfolgreich sind, werden von der Freien Ärzteschaft alle juristischen Optionen im Sinne von Musterklagen weiterhin verfolgt.

Mittel- und langfristig sind natürlich Szenarien denkbar, die schärfere Sanktionen beinhalten. Aber muss das zu vorauseilendem Gehorsam führen oder lohnt es sich, ruhig zu bleiben und abzuwarten?

Zunächst könnte der Gesetzgeber nachlegen und schärfere Sanktionen ins Gesetz schreiben, wie z. B. höhere Honorarkürzungen. Diese würde dann irgendwann in Kraft treten, und man hätte immer noch Zeit, sich etwas zu überlegen.

Auch könnten die KVen aus eigenem Antrieb tätig werden. Tatsächlich hat die KV ja den Willen des Gesetzgebers bei ihren Mitgliedern durchzusetzen. Man könnte aus der Nicht-Anbindung an die TI einen Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten konstruieren. Das müsste dann von der KV gerügt werden mit der Aufforderung, sich nun endlich anzuschließen. Bei Nichtbeantwortung würde die KV noch ein- oder zweimal erinnern. Als Nächstes könnte die Drohung mit der Einleitung eines Disziplinarverfahrens stehen, wo Sie zunächst eine Verwarnung oder eine Geldbuße zu erwarten hätten, und ganz am Ende vielleicht einen Antrag auf Entzug der Zulassung. Wenn der dann dereinst vom Zulassungsausschuss tatsächlich beschlossen werden würde, könnten Sie dagegen beim Sozialgericht klagen, wobei die Klage aufschiebende Wirkung hätte, Sie die Zulassung also bis zur Rechtskraft eines Urteils behielten.

Ob in Zeiten zunehmenden Ärztemangels der Antrag auf Entzug der Zulassung von der KV überhaupt als sinnvoll und ernsthafte Option angesehen oder im Gegenteil deren Sicherstellungsauftrag gefährden würde, wäre eine interessante Frage, die sich die KV dann in einigen Jahren stellen müsste. Zumal ja nicht einmal der Gesetzgeber den Entzug der Zulassung für angemessen gehalten hat, sonst hätte er ihn ja wie bei der Fortbildungspflicht ins Gesetz geschrieben.

Innerhalb dieser beschriebenen Kaskade könnten Sie die TI-Anbindung jederzeit doch noch umsetzen. Spätestens bei einer eventuellen Drohung mit dem Zulassungsentzug im wiederholten Disziplinarverfahren sollten Sie darüber dann ernsthaft nachdenken.

Aber vielleicht haben Sie ja in einigen Jahren Ihre Praxis geschlossen, an einen Nachfolger abgegeben, sind im Ruhestand oder wollen gar nicht mehr an Ihrer Zulassung festhalten.

Als Quintessenz kann man festhalten: Aktuell besteht wohl keine Eile. Man kann in Ruhe abwarten, was kommt. Auch bei dem einen Prozent Honorarkürzung (die wohl wieder in die MGV fließt und so, quasi hintenherum, das auszuschüttende Honorar wieder erhöht) mag das die derzeit klügste Option sein.

 

12.11.2018
Hans-Peter Meuser, Gründungsmitglied der Freien Ärzteschaft e.V., deren Vizepräsident 2004-2009, über 25 Jahre Erfahrung in KV-Verwaltung und Selbstverwaltungsgremien