Ärztetag stoppt eGK – FÄ bewirkt wichtige Beschlüsse

FÄ-Chef Wieland Dietrich

Auf dem Deutschen Ärztetag im Mai in Erfurt haben die Delegierten über die Telematikinfrastruktur, die GOÄ, die Fernbehandlung und viele andere für niedergelassene Ärzte relevante Themen diskutiert und entschieden. Dabei hat die Freie Ärzteschaft (FÄ) mit ihren Anträgen und Redebeiträgen die Delegierten von vielen ihrer Positionen überzeugt und für wichtige Beschlüsse gesorgt.

Bei den folgenden Beschlüssen waren Delegierte der Freien Ärzteschaft maßgeblich oder ausschließlich Antragsteller. (Nummern der Anträge in Klammern, zur Dokumentation hier klicken)

Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

Forderung nach zeitnaher und deutlicher Erhöhung der bestehenden amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (III – 03)
Zur GOÄ fand auf dem diesjährigen Ärztetag wieder eine harte Auseinandersetzung statt. Schließlich gab es für Ärzte im Gegensatz zu anderen Freiberuflern wie Juristen, Steuerberatern oder Tierärzten seit 1982 außer einer kleinen Anpassung durch den Gesetzgeber 1996 keinen nennenswerten Inflationsausgleich. Seit vielen Jahren verhandelt die Bundesärztekammer (BÄK) erfolglos mit der Politik und den Privaten Krankenversicherungen über eine neue GOÄ. Inzwischen ist klar: Bis zum Ende dieser Legislaturperiode wird es keine neue GOÄ geben. Daher beantragte die Freie Ärzteschaft – unterstützt von vielen führenden weiteren Berufsverbandsvertretern – eine zeitnahe und deutliche Erhöhung der bestehenden GOÄ. Allerdings haben der BÄK-Vorstand und der GOÄ-Verhandlungsführer Dr. Klaus Reinhardt (Hartmannbund) dafür gesorgt, dass dieser Antrag an den BÄK-Vorstand überwiesen wurde.

Hier zeigte sich deutlich, dass unter den 250 Delegierten des Deutschen Ärztetages nicht mehrheitlich aktive Praxisärzte sitzen, bei denen der wirtschaftliche Erfolg von der aktuellen Gebührenordnung abhängt. Keine andere Gruppe von Freiberuflern würde sich diese gesetzgeberische Ignoranz Jahrzehnte lang gefallen lassen. Immerhin beschloss das Plenum, dass die geplante Deckelung der Honorarerhöhung in einer „neuen“ GOÄ bei 5,8 % – also eine Budgetierung – abgelehnt wird. In diesem Punkt wird sich der BÄK-Vorstand künftig den Ärzten gegenüber rechtfertigen müssen.

Fernbehandlung: Änderung des § 7 Abs. 4 MBO-Ä

Keine Krankschreibung per Telefon oder Videokonferenz bei unbekannten Patienten (IV – 04)
Der 121. Deutsche Ärztetag 2018 lehnt die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab, wenn es im Rahmen einer ausschließlichen Fernbehandlung mit dem betreffenden Patienten/der Patientin zu keinem persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt kommt. Behandlungsqualität und Rechtssicherheit müssten gewahrt bleiben.

Keine ärztlichen Verordnungen im Rahmen von ausschließlichen Fernbehandlungen (IV – 03)
Ob die Ärzteschaft zudem die Ausstellung von ärztlichen Verordnungen etwa für Medikamente, Physiotherapien und Soziotherapien sowie von Überweisungen ablehnt, wenn es im Rahmen einer ausschließlichen Fernbehandlung zu keinem persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt kommt, damit muss sich der Vorstand der Bundesärztekammer befassen.

Telematik-Infrastruktur und elektronische Gesundheitskarte

Aussetzung der dysfunktionalen TI-Anbindung wegen technischer und organisatorischer Mängel sowie offener Datenschutzfragen (Ic – 54)
Der Deutsche Ärztetag hat die Politik aufgefordert, die verpflichtende Anbindung der Arztpraxen und medizinischen Versorgungszentren (MVZ) an die Telematikinfrastruktur (TI) auszusetzen. Ebenso ist die Strafandrohung von Honorarabzügen zurückzuziehen.

Die Gründe dafür sind u. a.:

  • Laut Evaluationsgutachten zum Test des Online-Rollouts treten erhebliche Probleme bei zahlreichen Praxen auf: wiederholte oder dauerhafte Systemausfälle, Gesundheitskarten können mitunter nicht eingelesen werden, Praxisabläufe werden behindert.
  • Eine Praxistauglichkeit der TI im Echtbetrieb ist bisher nicht ausreichend nachgewiesen.
  • Es ist absehbar, dass die Industrie bis Ende 2018 weder eine zuverlässige Funktionsfähigkeit gewährleisten kann, noch in der Lage ist, alle potenziellen Teilnehmer anzuschließen.
  • Die Finanzierung der Installation ist nicht gesichert. Die Kosten liegen inzwischen deutlich über den Erstattungsbeträgen.
  • Es gibt immer noch ein Marktmonopol bei den Konnektor-Anbietern.
  • Es gibt erhebliche Zweifel, dass die jetzt konzipierte TI mit der EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) konform ist.

In einem weiteren Beschluss haben die Delegierten das Aus für die elektronische Gesundheitskarte (eGK) gefordert (Ic – 141), nachdem sich sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel zuvor dafür ausgesprochen hatte.

Hersteller und Betreiber von Hard- und Software für die Telematikinfrastruktur müssen für Systemausfälle und Schäden in Praxen, MVZ und Kliniken haften (I c – 64)
Sofern die TI überhaupt noch weiter aufgebaut wird, sollen die Betreiber und Hersteller für den reibungsfreien Betrieb aller Komponenten und des gesamten Systems garantieren. Sie müssten grundsätzlich für Komponenten- oder Systemausfälle und daraus entstehende Schäden und Nachteile in Haftung genommen werden können. Denn Ärzte hätten alle Nachteile zu tragen, wenn es zu Ausfällen oder Schäden komme: Behinderungen von Praxisabläufen, womöglich mit Patienten- und Reputationverlust, und wirtschaftliche Konsequenzen wie Verdienstausfälle bei weiterlaufenden Kosten.

Datenschutz nur für Gesunde? (Ic – 59)
Der Deutsche Ärztetag hat betont, es sei nicht akzeptabel sei, dass der Datenschutz, wie von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erklärt, nur etwas für Gesunde sei. Vor dem Hintergrund der jüngsten Cyberattacken auf das hochabgesicherte Netz der Bundesregierung und weiterer gravierender Datenskandale forderten die Abgeordneten, die geplante Telematikinfrastruktur mit zentraler Datenhaltung unter den Gesichtspunkten Vertraulichkeit, Finanzierbarkeit und Praktikabilität erneut infrage zu stellen.

Arztgesundheit

Die Rahmenbedingungen ärztlicher Tätigkeit dürfen die Arztgesundheit nicht gefährden (Ic – 61)
Der Ärztetag hat beschlossen, dass die Bedingungen bei der Ausübung des Arztberufes in allen Sektoren und ärztlichen Berufsfeldern so gestaltet sein müssen, dass eine Gefährdung der körperlichen und seelischen Gesundheit von Ärztinnen und Ärzten minimiert wird.

Als Gesundheitsrisiken seien beispielsweise zu lange Arbeitszeiten in Klinik und Praxis anzusehen. Bereitschafts- und Notdienste seien so zu organisieren, dass ausreichende und zusammenhängende Ruhezeiten ermöglicht werden. Die Honorarsysteme seien so zu gestalten, dass bei einer dem allgemeinen Arbeitsleben entsprechenden Jahresarbeitszeit ein auskömmliches und leistungsadäquates Honorar erwirtschaftet werden könne. Zudem sollten sich die ärztlichen Körperschaften dafür einsetzen, dass ärztliche Tätigkeit Wertschätzung und Anerkennung in der Öffentlichkeit erfährt – dies seien wesentliche Voraussetzungen für Engagement und berufliche Zufriedenheit von Ärzten. Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen und dadurch bedingte somatische und seelische Erkrankungen seien unter Ärzten weiter verbreitet als in der Durchschnittsbevölkerung.

29. Mai 2018