Resolutionen der Mitgliederversammlung gegen das Terminservice- und Versorgungsgesetz
Die Mitgliederversammmlung der Freien Ärzteschaft (FÄ) am 30. November 2018 in Düsseldorf hat zwei Resolutionen gegen das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) einstimmig verabschiedet. Zum einen werden die Bundestagsabgeordneten aufgefordert, den Gesetzentwurf zum TSVG zurückzuweisen. Zum anderen stellt die FÄ fest, dass das TSVG die Qualität in der Medizin zerstört, und betont, den Widerstand gegen die Abschaffung der Freiberuflichkeit und Schweigepflicht weiter zu fördern.
Die Resolutionen im Wortlaut:
1. Den Gesetzentwurf zu einem TSVG (Terminservice- und Versorgungsgesetz) zurückweisen
Der vom Bundesminister für Gesundheit vorgelegte Entwurf für ein TSVG (Terminservice- und Versorgungsgesetz) verortet das absehbare Missverhältnis zwischen ungezügelt eskalierender Inanspruchnahme und begrenzten ambulanten ärztlichen Kapazitäten vordergründig in der mangelnden Einsatzbereitschaft der niedergelassenen Ärzte. Ein Instrumentarium aus monetären Anreizen sowie Kontroll- und Sanktionsdrohungen soll detailliert in die freiberuflich und eigenverantwortlich gestalteten Abläufe der ärztlichen Arbeit in den Praxen und Krankenhäusern eingreifen. Darüber hinaus werden die ärztlichen Körperschaften in bislang nicht gekanntem Ausmaß ihrer Gestaltungsbefugnisse beraubt.
Wir, die in der Freien Ärzteschaft organisierten Ärztinnen und Ärzte, unterstreichen unsere Ablehnung des geplanten TSVG. Es beleidigt die Würde unseres ganzen Berufsstandes und missachtet auf ehrverletzende Weise unsere Lebensleistung. Wir warnen vor den absehbaren nachteiligen Auswirkungen auf die Behandlung der uns vertrauenden Patienten.
Wir fordern die Abgeordneten des deutschen Bundestages auf, diesen Gesetzentwurf zurückzuweisen. Vielmehr müssen jetzt die tatsächlich schwerwiegenden Unzulänglichkeiten der Gesundheitspolitik identifiziert und ursächlich angegangen werden. Nachhaltig genügend Arztzeit braucht ausreichenden beruflichen Nachwuchs voraus. Budgetdeckel auf Honoraren, Regressdrohungen und zunehmender staatlicher Dirigismus im ärztlichen Alltag in allen Versorgungsbereichen sind fatale Leistungsbremsen. Sie schrecken potenzielle Einsteiger ab und verschärfen so den Ärztemangel in der Zukunft.
2. Freie Ärzteschaft: TSVG zerstört Medizinqualität
Deutschland hat immer noch – weltweit betrachtet – ein sehr gutes Gesundheitswesen. Alle Beurteilungen aus Sicht der Politik, die unser Gesundheitswesen als sehr teuer, mittelmäßig und ungerecht deklarieren, ignorieren die Realitäten. Mit solchen Behauptungen soll meistens nur eines forciert werden: eine Transformation in ein entweder staatliches oder ein konzernbeherrschtes System.
Aber was brennt wirklich gerade an?
Als Mitglieder der Freien Ärzteschaft, die wir früher in der Klinik gearbeitet haben und jetzt freiberuflich verantwortlich unsere Praxen führen, machen wir uns Sorgen um die Medizin.
Wir erleben, dass in den Kliniken kaufmännische Entscheidungen über Operationsmengen und Heilungszeiten getroffen werden. Wir erleben, dass mit unseren Patienten dort nicht mehr gesprochen wird. Dass der Zeitdruck zu vermehrten Klinikinfektionen und psychischem Stress bei Beschäftigten und Patienten führt.
Wir erleben, dass renditeorientierte Gesundheitskonzerne die Arztpraxen in den Metropolen aufkaufen. Dass die politikgemachte Rationierung und Unterfinanzierung des ambulanten Gesundheitswesens überall zu Mangelsituationen führt.
Wir erleben, dass die Bundespolitik sich nur mit Symptomen befasst, die Ursachen ignoriert und die Realität dadurch verschlimmert.
Wollte der frühere Gesundheitsminister Hermann Gröhe mit Praxisabschaffungen in den Städten die Ärzte aufs Land zwingen, so will der jetzige Minister Jens Spahn mit staatlich verordneten offenen Sprechstunden, Umverteilung unter den Arztgruppen, Terminservicestellen und Gesundheits-Apps die angebliche Ungerechtigkeit für Patienten beseitigen.
Populismus und Zynismus kommen aus dem Hause Spahn. Die Ideen können weder die Bürger, noch die Ärzte, noch die Medizinstudenten und am wenigsten die wirklich Kranken in Deutschland überzeugen. Schwer Kranke werden am meisten darunter leiden, wenn sich die Zeit für ältere oder chronisch Kranke ohne Handy-App noch weiter vermindert. Der Zwang zum Anschluss an die Telematik-Infrastruktur verschlingt Unmengen von Geld und zerstört auf Dauer den Vertrauensraum in den Arztpraxen und die ärztliche Schweigepflicht. Die große Mehrheit der Praxisärzte hat sich bislang trotz aller Drohungen nicht an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen.
Die Mitgliederversammlung der Freien Ärzteschaft 2018 stellt fest:
Ein starkes ambulantes Gesundheitswesen lässt sich nur sichern, wenn alle Leistungen nach wirtschaftlich kalkulierten Preisen transparent gezahlt werden und die Empathie der tätigen Ärztinnen und Ärzte nicht durch übermächtige staatliche und administrative Knebelungen zerstört wird. Internationale Medizinkonzerne müssen zurückgedrängt und die ärztliche Schweigepflicht muss erhalten bleiben. Die Freie Ärzteschaft wird als Kernpunkt ihrer Tätigkeit den Widerstand gegen die Abschaffung von Freiberuflichkeit und Schweigepflicht mit allen bürgerrechtlichen und juristischen Mitteln weiter fördern.
01.12.2018