Freie Ärzteschaft Nordrhein: Warum sollen Ärzte den Notdienst in Nordrhein-Westfalen selbst finanzieren?

Die Freie Ärzteschaft übt wesentliche Kritik an den Plänen der KV Nordrhein, die Organisation des ambulanten ärztlichen Notdienstes in Nordrhein grundlegend und für die Ärzte zwangsweise zu ändern. Die Änderungen wurden auf der letzten Vertreterversammlung der KV Nordrhein beschlossen.

Die Pflicht zum Bereitschaftsdienst betrifft Vertragsärzte und gemäß des Landesheilberufegesetzes NRW auch privat niedergelassene Ärzte. Beschlossen wurden die Änderungen jedoch allein von der hiesigen Kassenärztlichen Vereinigung – Privatärzte waren in den Entscheidungsprozess nicht eingebunden und werden jetzt von den geplanten Änderungen überrascht. Der nordrheinische Landesverband der Freien Ärzteschaft kritisiert insbesondere:

• Es soll eine einheitliche Notdienstpauschale von 190 € pro vollem KV-Versorgungauftrag in allen Kreisstellen in Nordrhein zulasten der Ärzte gelten, die bei der Quartalsabrechnung einbehalten wird. Unklar ist, ob und wie dies bei Privatärzten eingezogen und begründet werden soll. Zusätzlich sollen grundsätzlich 15% des im Notdienst erwirtschafteten Honorars von der KV einbehalten werden. Insgesamt bedeutet das eine deutliche Kostenerhöhung für alle zum Notdienst verpflichteten Ärzte.

• Im Notdienst, der ausschließlich in Notdienstpraxen unter KV-Regie stattfinden soll, wird ein einheitliches Praxisverwaltungssystem (PVS) des Anbieters Duria eingeführt. Die meisten für den Notdienst eingeteilten Ärzte benutzen in ihren eigenen Praxen jedoch ein anderes System, sodass sie sich in ein neues PVS (gegebenenfalls durch zusätzliche – kostenpflichtige? – Schulungen) einarbeiten müssten.

• Die Abrechnung der Sitzdienste soll ausschließlich über die Notfallpraxis und deren PVS erfolgen; über das eigene PVS des dienstleistenden Arztes kann dann nur mittels einer komplizierten und kostenpflichtigen Zusatz-Software (Citrix) auf die Abrechnungsdaten zugegriffen werden.

• Auch für Ärztinnen und Ärzte, die bisher nicht an die Telematikinfrastruktur angeschlossen sind (sei es aufgrund eines durch Datenschutz begründeten Verzichts, sei es als Privatarzt) wäre ein mit laufenden Kosten verbundener elektronischer Heilberufsausweis erforderlich.

• Da die Notdienstpraxen einschließlich des Personals von der Gesundheitsmanagementgesellschaft mbH (GMG), einer Tochter der KVNo, betrieben werden, ist unklar, wie die Weisungsbefugnis des Arztes gegenüber diesem Personal gestaltet werden soll, bzw. ob das Fremdpersonal gegenüber dem Arzt in administrativen Belangen überhaupt weisungsgebunden ist.

Die Freie Ärzteschaft stellt die Frage, inwieweit bei Vertrags- als auch Privatärzten noch von einer freiberuflichen und selbstständigen Tätigkeit gesprochen werden kann, wenn von einem Dritten – der KV Nordrhein – bestimmt wird, wann gearbeitet werden muss, wo gearbeitet werden muss, die Organisationsstruktur des Arbeitsplatzes fremdbestimmt ist, mit Fremdpersonal gearbeitet werden muß, und sogar noch vorgegeben wird, welches Praxisverwaltungssystem benutzt werden soll, und auch die Leistungsabrechnung durch einen Dritten – die Notfallpraxis und damit die GMG – erfolgt.

Die Pflicht zur Teilnahme am ambulanten Bereitschaftsdienst ist für den Notdienst Leistenden mit erheblichen Kosten verbunden. Die meisten Fach- und auch Hausärzte lassen sich im Notdienst vertreten. Damit fallen nicht nur die oben angegebenen Kosten für Software und eHBA sowie die Notdienstpauschale an, sondern es muss zusätzlich zum erarbeiteten Honorar oft noch eine Pauschale von mehreren hundert Euro gezahlt werden, um einen Vertreter zu finden. Zusätzlich reduziert die KV die erbrachten Leistungshonorare um 15%. Die Verpflichtung zum Notdienst in dieser Form kann damit dem/der Dienstverpflichteten 4-stellige Kosten verursachen.

Die Freie Ärzteschaft lehnt es ab, dass die Ärzte für eine staatlich angeordnete Dienstverpflichtung auch noch hohe Summen aus der eigenen Tasche bezahlen müssen. Die Kosten des Notdienstes müssen ausschließlich von denjenigen bezahlt werden, die diese Leistung bestellen: der Staat bzw. die von ihm beauftragten Krankenkassen – zusätzlich zu einem angemessenen Honorar!

Wir fordern die Administration der KV Nordrhein auf, bis zur Verwirklichung einer vollständigen Notdienst-Refinanzierung das Notdienstangebot an die bisherigen Finanzmittel anzupassen, zusätzliche Kosten für dienstverpflichtete Kolleginnen und Kollegen zu vermeiden, einer Verringerung der Möglichkeiten für Notdienstvertretungen entgegenzuwirken, und die aufgeworfenen Rechtsfragen eindeutig zu klären.

Für Doppelstrukturen bei medizinischem Personal (MFA’s) und bei Praxisverwaltungssystemen besteht derzeit kein finanzieller Spielraum.

 

Über die Freie Ärzteschaft e.V.
Die Freie Ärzteschaft e. V. (FÄ) ist ein Verband, der den Arztberuf als freien Beruf verteidigt. Er wurde 2004 gegründet und vertritt vorwiegend niedergelassene Haus- und Fachärzte sowie verschiedene Ärztenetze. Vorsitzender des Bundesverbandes ist Wieland Dietrich, Dermatologe in Essen. Ziel der FÄ ist eine unabhängige Medizin, bei der Patient und Arzt im Mittelpunkt stehen und die ärztliche Schweigepflicht gewahrt bleibt.

V.i.S.d.P.: Wieland Dietrich, Freie Ärzteschaft e.V., Vorsitzender, Gervinusstraße 10, 45144 Essen, Tel.: 0201 68586090, E-Mail: mail@freie-aerzteschaft.de, www.freie-aerzteschaft.de

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