PKV abschaffen oder PKV für alle?
„Wir erwarten von der Politik Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, jeden Patienten unabhängig und nach bestem Wissen und Gewissen zu behandeln.“ Das betonte Wieland Dietrich, Bundesvorsitzender der Freien Ärzteschaft (FÄ), kürzlich auf dem Kongress Freier Ärzte in Berlin. Mit oder ohne GKV, PKV, Bügerversicherung & Co.? Professor Gerd G. Wagner, Mitglied des Sachverständigenrates für Verbraucherfragen, und Dr. Timm Genett, Geschäftsführer des PKV-Verbands, lieferten sich auf dem Kongress einen Schlagabtausch zu ein paar grundsätzlichen Fragen.
Sollte die Trennung von GKV und PKV aufgehoben werden?
Wenn es nach Wagner ginge: Ja, er befürworte derzeit eine Bürgerversicherung. Denn die meisten Bürger empfänden die Trennung als ungerecht. Allerdings räumte er ein, dass die PKV inzwischen derart reguliert sei, dass der Unterschied bei Weitem nicht mehr so groß sei, wie er als ungerecht empfunden werde. „Wozu eine Radikalreform bei hoher Patientenzufriedenheit?“, fragte Genett. Sowohl in der GKV als auch in der PKV seien mehr als 90 Prozent der Versicherten zufrieden.
Würde eine Bürgerversicherung vor Zwei-Klassen-Medizin schützen?
„Wer mit dem Gedanken einer Bürgerversicherung spielt, weil er einer angeblichen Zwei-Klassen-Medizin entgegenwirken will, hat die Mechanismen nicht verstanden“, sagte Genett. „Eine Zwei-Klassen-Medizin entsteht als Antwort auf Rationierung. Und alle Länder, die nach dem Modell der Bürgerversicherung organisiert sind, haben mehr Rationierung als Deutschland.“ Dass es Rationierung hierzulande schon gibt, konnte auch Wagner nur bejahen. „Wir müssen überall sehen, wie wir mit knappen Ressourcen auskommen.“ Und hier hakte FÄ-Chef Dietrich ein: Rationierung könne aber nicht auf dem Rücken des Arzt-Patienten-Verhältnisses ausgetragen werden.
Brauchen wir Systemveränderungen etwa wegen ungerechter Wartezeiten?
Ja, konstatierte Wagner. Die Bürger empfänden es als zutiefst ungerecht, dass GKV-Versicherte länger auf einen Termin beim Facharzt warten müssten als Privatversicherte. Das entkräftete Genett: „Nach KBV-Erhebungen bekommen 43 Prozent der GKV-Versicherten und 47 Prozent der Privatversicherten am ersten Tag einen Termin. Wegen dieser marginalen Differenz brauchen wir doch keine Systemtransformation. Und internationalen Studien zufolge schneidet das deutsche Gesundheitssystem in puncto Wartezeiten am besten von allen EU-Ländern ab.“
Sind PKV-Versicherte unsolidarisch?
Es sei schwer zu begründen, warum es für wenige privilegierte Bevölkerungsgruppen die Möglichkeit gebe, sich aus dem Solidarsystem der GKV herauszuziehen, konstatierte Wagner. Genett stellte klar: „Jeder, der in die PKV kommt, ist auch solidarisch. Er mutet sich für den Rest seines Lebens Eigenverantwortung zu und verzichtet auf die GKV-Subventionsansprüche im Alter.“ Für die GKV sei das ein gutes Geschäft, wenn jemand in die PKV gehe.
Wie sähe eine Privatversicherung für alle aus?
Für Wagner ist klar: „In keinem System, das auf sozialen Ausgleich Wert legt, kommt man um einen Risikostrukurausgleich herum.“ Und Rationierung gebe es auch bei Privatpatienten. Nach Genetts Ansicht müsste der Staat dann dafür sorgen, dass die Versicherungspflicht in einem privatrechtlichen Rahmen so organisert ist, dass jeder zu bezahlbaren Konditionen einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz bekommt. „Dann sind wir automatisch bei Regulierungen.“
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